Ein Mann, der auch einen aus mehreren Teilen bestehenden Einkauf auf das Förderband unserer zweiten Kasse gestapelt hat, bat meine Mitarbeiterin darum, die Zigarettenausgabe für ihn freizuschalten. Sie tat es und sie hörte auch das Piepsen des Geräts. Aber die Zigaretten lagen nicht auf dem Band, als er an der Reihe war. "Wo sind denn die Zigaretten, die Sie gezogen haben?", fragte sie den Mann. "Achhhhhhhh", spielte er unschuldig, "die hatte ich wohl ganz in Gedanken in die Tasche gesteckt." Zog sie hervor, legte sie auf das Förderband und bezahlte sie auch mit.
"Ganz in Gedanken" war das sicherlich nicht. Oder spitzfindig betrachtet war er das sogar ganz bestimmt. Nämlich in den Gedanken, wie man unbemerkt eine Schachtel Zigaretten im Wert von knapp zehn Euro einsacken kann:
Ein Ladendieb wollte ein Päckchen Instantkaffee entwenden. Hat aber nicht geklappt, weil die Ware gesichert und der Dieb zu unaufmerksam war. Gut für uns, Pech für ihn. Der Rest war unspektakulär, Anzeige folgt.
Als ich seinen Namen las, dachte ich, dass ich ihn kennen würde. Auch wenn mir sein Gesicht nichts sagte, so kam mir doch irgendwie sein Name bekannt vor. Kurz die Aufzeichnungen durchgesehen, ob der Herr hier schon Hausverbot hat. Ah, tatsächlich, er hatte vor ziemlich genau einem Jahr hier schon geklaut. Dass die Adresse nicht mehr stimmte, machte nichts. Leute ziehen halt mal um. Aber seit wann ändern die auch das Geburtsdatum? Beim genaueren Blick ergab sich dann, dass es sich da wohl tatsächlich um zwei verschiedene Diebe handelte.
Um das zu veranschaulichen: Dieb 1: "Uta Meyer", Dieb 2: "Ute Meier".
Das war geringfügig irritierend.
(Die Namen da oben sind zufällig gewürfelt und nur ein Beispiel, falls hier also ein U. M. in welcher Schreibweise auch immer mitliest: Du warst nicht gemeint.)
Im Rahmen ihrer Bestellung hatte eine Kollegin hinter den Kartons mit Müllbeuteln einen kleinen Karton von OCB gefunden. Einige Packungen Blättchen waren noch darin, aber viele waren es nicht. Sofort gingen unsere Alarmglöckchen an, denn zum einen sind Blättchen auch ein relativ beliebter Klauartikel, zum anderen ist es schon merkwürdig, dass der Karton im Regal mit den Haushaltsfolien liegt.
Der Blick in die Videoaufzeichnung ergab hinsichtlich der Speicherdauer gerade noch, dass ein Mann, den wir nicht als "Stammkunden" bezeichnen würden, der uns aber irgendwie vom Sehen bekannt vorkam, den neuen und vollen Karton (50 x 1,50 € – das ist schon ordentlicher Warenwert) zwei Tage zuvor heimlich von der Kasse mitgenommen hatte, während mein Kassierer mit einer anderen Kundin beschäftigt war. Im Gang mit den Müllbeuteln stopfte sich der Mann den größten Teil des Inhalts des kleinen Kartons in seine Jacke und entledigte sich des auffälligen Kartons, indem er ihn im Regal mit den Müllbeuteln verbarg. Dann ging er zunächst unerkannt aus dem Laden.
Vorsichtshalber sicherte ich die Videoaufnahme und noch während der USB-Stick im Rekorder steckte, kam besagte Kollegin mit nachdenklichem Gesicht zu mir ins Büro: "Guckst du mal bitte? Ist das unser Blättchendieb, der da vor den Brötchen gerade steht?"
Ja, er war es und so zogen wir ihn kurzerhand mit ins Lager. Da stritt er erstmal alles ab: "Ich wollte hier nur Brötchen kaufen, ich habe nichts geklaut."
"Nein, nicht heute", erwiderte ich, "sondern am Montag schon!"
"Das können Sie überhaupt nicht beweisen", erklärte er siegessicher.
Da er kein Ausweisdokument und nur eine Krankenkassenkarte dabei hatte, rief ich die Polizei hinzu. Während ich im Büro war und telefonierte, nahm der Mann sein eigenes Handy aus der Tasche und wählte ebenfalls den Notruf der Polizei. Dort erklärte er, dass er hier von uns ungerechtfertigt festgehalten würde und er einen dringenden Termin hätte und mich nun wegen dieser Freiheitsberaubung anzeigen möchte.
Während wir auf die Beamten warteten, erklärte er mir noch ein paar Dinge. Ob das nur ein Versuch war, mich einzuschüchtern und auf diese Weise von uns ohne den Polizeieinsatz wieder entlassen zu werden, oder ob der Typ wirklich so doof war, kann ich bis heute nicht sagen. Auf jeden Fall widerholte er ausdrücklich, dass wir ihn nicht festhalten dürften, denn er hätte ja schließlich nichts getan und dass er mich deswegen wegen der Freiheitsberaubung anzeigen wird. "Das gibt richtig Ärger, das mag die Polizei gar nicht", klärte er mich auf. Außerdem werde ich wohl den Polizeieinsatz selber bezahlen dürfen, denn die Papiere, die er mir gegeben hatte, reichen wohl um seine Identität festzustellen und dafür hätte es keine Polizei gebraucht.
Das sah die Polizei dann aber alles komplett anders. Die Videoaufzeichnungen waren in einer super Qualität und zeigten eindeutig, wie er sich die Blättchen mit vollen Händen in die Jacke stopfte. Und sie erklärten ihm auch, dass eine Versichertenkarte und ein monatealter Anmeldebogen eines Wohnheimes keine offiziellen Ausweisdokumente sind. Also von uns aus war alles korrekt und ich habe auch keine Konsequenzen zu befürchten. Wie das bei ihm aussieht, weiß ich dagegen nicht, er war nämlich gerade erst aus dem Knast entlassen worden. Läuft bei ihm.
Eigentlich war das Thema damit erledigt, aber da war ja noch eine zweite Anzeige von mir. Die wegen des begangenen Hausfriedensbruchs. Der Mann hatte hier nämlich Ende 2023 bereits geklaut und daher von uns ein Hausverbot bekommen und so hatte ich auch noch dafür einen Anzeige vorbereitet. "Das eine Jahr ist längst um!", protestierte der Dieb.
"Bei uns gibt es für Ladendiebe Hausverbot lebenslang", erklärte ich ruhig.
"Wo steht das? Habe ich das schriftlich bekommen?", spielte er wieder den Schlaumeier.
"Das steht nirgends, das machen wir ausnahmslos immer so. Und das brauche ich Ihnen auch nicht schriftlich zu geben, es reich nämlich, wenn ich Ihnen das sage. Wenn Sie das vergessen haben, ist das Ihr Problem, nicht meines."
Der Polizist, der die ganze Zeit neben uns stand und sich den Dialog angehört hatte, nickte bekräftigend und bestätigte meine Aussage: "Ja, da hat er Recht."
Immer wieder muss man sich mit sowas herumschlagen … Einfacher wäre es, wenn die Leute, wenn man sie schon überführt, wenigstens kooperativ wären und nicht auch noch eine große Klappe hätten.